Plastikstuhl Monobloc: Aus einem Guss

2023-03-23 16:33:53 By : Ms. Mark Ying

Seine Herstellungdauert ganze 60 Sekunden. Dann ist der Stuhl aus einem Guss fertig. Vermutlich hat jeder von uns schon einmal auf einem Monobloc Platz genommen. Seine Vorteile liegen auf der Hand: Preiswert, stapelbar, leicht, wetterfest. Vermutlich sind es diese Qualitäten, die ihn zu einem Stuhl für die Welt haben werden lassen. Überall sind Monoblocs zu finden. Inzwischen sogar im Museum.

Wenn ein Stuhl den Titel „globales Massenprodukt“ verdient, dann ist es der Monobloc. Von diesem Kunststoff-Sitz sind geschätzt über eine Milliarde Exemplare produziert worden.Vornehmlich in Weiß, aber auch mal in Blau und Grün, steht der Stuhl eigentlich überall auf der Welt irgendwo, wo Menschen sich hinsetzen möchten. Ob zum Eisessen, beim Grillen im Kleingarten, auf der Terrasse, dem Campingplatz oder im Café. Und das in Asien, Afrika und vor Alpenkulisse. Tatsächlich handelt es sich bei diesem unspektakulärem Sitzgerät, das viele eher als Baumarkt-Stapelstuhl kennen, um das am weitesten verbreitete Möbel der Welt.

Wohl auch deshalb ist es längst nicht mehr nur ein Fall zum Sitzen. Museen und Künstler haben den Monobloc entdeckt. Während die einen sich um seinen Erfinder, die Design-Vorgänger und die Herstellung des Stuhls aus Polypropylen kümmern, entwickeln die anderen ihn weiter – manchmal mit versteckten politischen Botschaften.

Für Heng Zhi, Kuratorin im Vitra Design Museum in Weil am Rhein, ist es keine Frage: Der unscheinbare Monobloc gehört ins Museum und verdient Aufmerksamkeit. Bis zum 9. Juli hat das Design-Haus ihm eine Sonderschau gewidmet. Seine Ambivalenz ist es, die die Kuratorin so sehr reizt. Der Stuhl habe zweifellos einen wichtigen Platz in der Möbelgeschichte inne. „Er ist gewissermaßen die logische Schlussfolgerung am Ende eines technisierten Produktionsprozesses“, sagt sie mit Blick auf die Spritzgussfertigung. Trotzdem werde er heute belächelt, zuweilen sogar verachtet: als billiges Massenprodukt.

Jeder kennt den Stuhl, hat schon mal auf ihm Platz genommen und weiß nichts über seine Geschichte. Die Grundidee des Monobloc-Stuhls geht zurück auf die Vision vieler Designer, einen Stuhl aus einem einzigen Stück Material herzustellen. Ab den 1920er Jahren, so informiert das Vitra Museum, experimentierten die Möbelmacher zunächst an Verformungen von Metallblechen oder Schichthölzern. Mit der Entwicklung neuer Technologien entstanden andere Möglichkeiten. Stühle wurden in Guss- oder Presseverfahren in einem Produktionsschritt aus Kunststoff gefertigt. Auf diesem Herstellungsprozess beruht der Name Monobloc – aus einem Guss.

Das, was Möbelkenner als Klassiker nach wie vor wertschätzen und teuer bezahlen, diente dem französischen Ingenieur Henry Massonnet 1972 als Anregung. Zum Beispiel der „Panton Chair“ des dänischen Designers Verner Panton (1958 bis 1968), der „Bofinger-Stuhl“ von Architekt Helmut Bätzner (1964 bis 1968) oder der „Selene“ des italienischen Designers Vico Magistretti (1961 bis 1968). Massonnet nannte seinen Stuhl „Fauteuil 300“. Er gilt als Urtyp des erschwinglichen Kunststoffstuhls. Keine zwei Minuten dauerte sein Fertigungsprozess in den 1970er Jahren. Daran hat die Industrie weiter geschraubt. Inzwischen ist ein Monobloc innerhalb von 60 Sekunden fertig. Rasend schnell, ein Prozess, bei dem kaum manuelle Arbeit vonnöten ist.

Der Urtyp von Massonnet gehörte schon länger zur Möbelsammlung des Vitra Museums. Die ist auch wegen der Sonderausstellung zum Monobloc jetzt um etliche Baumarkt-Stapelstühle erweitert worden. Massonnets Stuhl, weiß Heng Zhi, sei vollständig aus Polypropylen gefertigt worden. Ein hochwertiges und langlebiges Material, das der Franzose schätzte und bereits für andere Objekte verwendet hatte. Die Kuratorin bezweifelt indes, dass die jüngsten Modelle aus Fernost immer noch dem Qualitätsstandard früherer Zeiten entsprechen. „Die Mischung wird wohl eine andere sein“, vermutet sie. Und weiß obendrein, dass es längst Tausende von verschiedenen Modellen gibt.

Seit die Ausstellung Mitte März eröffnet worden ist, hat Heng Zhi immer wieder schmunzeln können. Denn auch das ist ihr durch die Beschäftigung mit dem Kunststoff-Möbel klargeworden: „Jeder hat sein persönliches Monobloc-Erlebnis. Das ist einfach schön.“ Ein uniformer Alltagsgegenstand, keine Ikone – und dennoch Mitglied der Design-Familie.

Der Stuhl wird in anderen Länder deutlich mehr geschätzt als in Europa. „In Asien, Afrika und im Nahen Osten werden die Stühle mit Nadel und Faden geflickt, geklebt, aus zwei defekten Exemplaren wird ein neuer Stuhl gemacht“, listet Heng Zhi gängige Reparaturen auf. Schon wieder ein Aspekt, den die Museums-Kuratorin faszinierend findet. Henry Massonnet wäre nachhaltig begeistert!